Geschichte der Chirurgie

Entwicklung der Chirurgie


Die Chirurgie ist wahrscheinlich fast so alt wie die Menschheit. Auf diesem Bild sehen wir den Schädel eines Menschen aus der Steinzeit. Dieser Mensch wurde am Schädel operiert, es wurde eine so genannte Trepanation durchgeführt, d.h. dass der Schädelknochen aufgeschabt und eröffnet wurde. Der neu gebildete Knochen am Rand des Loches beweist uns, dass dieser Steinzeitmensch die Operation tatsächlich überlebt hat.

Überlebte Schädeltrepanation

Auf diesem Bild aus dem griechischen Altertum sehen wir, wie der Arzt Japix den Verwundeten Äneas behandelt, der von seinem weinenden Sohn Junus geführt wird. Im Hintergrund schwebt Äneas Mutter Venus herbei, die einen lindernden Balsam bereitet hat (Freskomalerei aus der Casa Disirico in Pompeji).

Nach dem Zusammenbrechen des römischen Reiches ging viel Wissen verloren. Erst aus dem Mittelalter sind uns wieder in alten Handschriften Darstellungen der damaligen Chirurgie überliefert. Hier sieht man eine Handschrift aus dem 14. Jahrhundert aus der Chirurgie Rolands von Parma. Während seiner Tätigkeit als Arzt in Bolongnia schrieb Roland von Parma um 1240 seine Chirurgia Orolandina. Man sieht einen Arzt, der einen Eingriff an der Brust vornimmt.

Hier sehen wir einen mittelalterlichen Arzt, der eine Pestbeule aufschneidet (Holzschnitt aus H. Folz: Spruch von der Pestilenz , Nürnberg 1462).

Das medizinische Wissen wurde damals überwiegend in den Klöstern verwart. So sehen wir hier die Revision einer Oberarmwunde durch zwei Mönchsärzte (Miniatur aus der Cyrurgia des Teodorico Borgognone aus dem 13. Jahrhundert.

So entstanden jetzt auch wieder Hospitäler. Wir wissen, dass die Römer in ihren Kastellen hervorragend organisierte Mililtärlazarette vorhielten. Auch die Kreuzritter richteten bereits Krankenhäuser ein, die gleichzeitig auch Übernachtungen für Gesunde durchfahrende Ritter bereithielten. Die ersten Hospitäler entstanden dann im Mittelalter an den Klöstern. Hier sehen wir die chirurgische Versorgung einer großen offenen Wunde eines stark geschwollenen Unterschenkels in einem Hospital. Die Patienten liegen nackt in den mit roten Decken ausgestatteten Betten. Sie haben allerdings eine Nachtmütze auf. Der Operateur trägt eine rote Kutte, andere Ordensbrüder versorgen die Patienten mit Nahrung oder erteilen ihnen geistlichen Zuspruch. Im Vordergrund links ein neu ankommender Patient mit einer Hand- oder Armverletzung (Miniatur aus einem Manuskript des Canon von Avicenna (980 – 1037) Italien 15. Jahrhundert ).

Hier sehen wir ebenfalls einen Krankensaal in einem Klosterhospital , diesmal allerdings von Nonnen geführt und wir erkennen, dass in dem 2. Bett von links offensichtlich eine Privalpatientin liegt (ein Krankensaal im Hotel Dieu in Paris). Die Kranken liegen, wie noch im 18. Jahrhundert beschrieben, in der Regel zu Zweit, nur mit einer Kopfbedeckung versehen, nackt in einem der Betten, die unterhalb der hohen Saalfenster stehen. Im Vordergrund Ordensschwestern, die die Kranken pflegen und vier als Nonnen symbolisierte Lebenstugenden: die Klugheit, die Mäßigung, die Seelenkraft und die Gerechtigkeit (Jean Henry 1482).

Hier blicken wir in den Krankensaal eines mittelalterlichen Hospitals (Holzschnitt vom Ende des 15. Jahrhunderts). Der Arzt (links unten) macht gerade eine Urinbeschau während zwei Schwestern einen Verstorbenen in einen Sack einnähen.

Dies ist ein Blick in das St. Jean Hospital in Anjou. Es wurde mit zwei weiteren Krankenhäusern als Zeichen der Sühne für den Mord an Thomas Becket unter Heinrich dem II. erbaut (Stich aus dem 19. Jahrhundert). Interessant ist, dass jedes Bett zum Schutz der Intimsphäre einen eigenen Vorhang hat.

Dieses Bild zeigt die Hospitalhalle im Kloster der Zisterzienser in Kloster Eberbach im Rheingau, erbaut Anfang des 13. Jahrhunderts. Hier wird z. Zt. renoviert.

Blick in den Krankensaal eines Bürgerhospitals in Frankfurt Ende des 16. Jahrhunderts. Im Vordergrund wird ein Kranker von der heiligen Elisabeth und zwei Begleiterinnen versorgt (Ölbild von Adam Elsheimer 1598).

Zu diesen Zeiten gab es noch keine eigentlichen Operationsräume. Die Operationen wurden im normalen Krankenzimmer durchgeführt oder zu Hause, oder in Wirtshäusern. Hier ist die Darstellung von verschienen Operationsszenen in einem spätmittelalterlichen Krankensaal. Links amputiert ein Wundarzt ein Bein, rechts wird am Kopf ein chirurgischer Eingriff durchgeführt. In der Mitte die Urinbeschau. Der Arzt hält das Uringlas hoch und es wird darüber diskutiert. Diese Diagnosestellung war im Mittelalter ganz wichtig (Holzschnitt aus Paracelsus, Opus Chyrurgicum , Frankfurt am Main 1566). Besitz: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel.

Vor der Operation wurde zunächst einmal gebetet (Gebet vor einer Bruchoperation aus Caspar Stromayr´s Practica copiosa, illustrierte Handelsschrift 1559, Stadtbibiliothek Lindau). Der Patient sitzt offensichtlich in einer „Badebütt“. Dies zeigt schon eine gewisse Hygiene, denn auch heute soll sich ein Patient vor einem chirurgischen Eingriff gründlich reinigen.

Bruchschnitt in Trendelenburg´scher Lagerung (aus Caspar Stromayr´s Practica copiosa 1559). Das entsprechende Aquarell weist aber auf dem Tischbein die Jahreszahl 1566 auf. Die hier gezeigte Kopftieflagerung ist nicht nur positiv bei einem Kreislaufzusammenbruch sondern hilft auch dabei, dass evt. im Bruchsack vorhandene Eingeweide leichter in den Bauch zurück gebracht werden können.

Die Chirurgie war damals ein sehr grobes Geschäft. Im Wesentlichen wurden entweder Verletzungen versorgt oder kranke Gliedmaßen amputiert, wie hier auf diesem Bild. Amputation mit der Knochensäge (Holzschnitt von H. Wechtlin aus Hans von Gersstdorft `s „Feldbuch der Wundtartzney“ Straßbourg 1517).

Wir kommen jetzt in die Zeit des Barock, die Kleidung wird etwas eleganter. Hier der Blick in den großen Krankensaal des Hopital de la Charité in Paris während der Ausgabe der Mittagsmahlzeit. Dieses Hospital, das von Marie de Medicci 1601 gegründet worden war, wurde von den Barmherzigen Brüdern geführt. 1608 bezog der Orden neue Hospitalgebäude. Nur männliche Kranke wurden in den Spitälern der Barmherzigen Brüder betreut (Gemälde des 17. Jahrhunderts nach einem Kupferstich nach Abraham Bosse).

Hier sehen wir einen sog. Instrumentenmann, ein allegorisches Chirurgenkostüm (Stich von Nicolas Larmessin). Wir erkennen deutlich die Handwerkzeuge des damaligen Chirurgen: auf dem Kopf der Trepan zur Schädeleröffnung. Um den Hals gebunden hängt die Barbierschüssel zum Aderlass.Die Chirurgen waren damals meistens noch keine studierten Ärzte sondern Barbiere. Zangen und Bohrer stecken im Gürtel.

Diese sehr schöne Darstellung eines Dorfchirurgen von David Ryckaert (1612 - 1661) befindet sich in der Gemäldegalerie Berlin.

Der Dorfchirurg

Hier befinden wir uns in einem Krankenhaussaal in Frankreich zur Zeit der Französischen Revolution. Es sieht so aus, als ob der aufzunehmende Patient erst einmal bezahlen muss.

Wir sind jetzt in der Zeit der Aufklärung und dies ist das Titelblatt der Chirurgie aus der Enzyklopädie von Diderot und d´Lambert. Es zeigt eine Allegorie der Chirurgie.

Ebenfalls aus der Enzyklopädie sehen wir hier eine Trepanation, d.h. eine Aufbohrung des Schädels. Auch diese Operation wurde ohne Betäubung durchgeführt, da die Narkose noch nicht erfunden war.

Hier sehen wir die Eröffnung eines Tränenganges. Bei Kindern verhindert manchmal eine sich nicht öffnende Hasner-Klappe den Abtransport der Tränen (kongenitale Tränenwegsstenose). In diesen Fällen kann mit einer speziellen stumpfen Tränenwegskanüle der Tränenweg sondiert und gespült werden.

Auf diesem Blatt sehen wir eine ärztliche Visite in einem Krankenhaus um 1783. Vermutlich handelt es sich um einen Saal in der Charité in Berlin (Kupferstich von Daniel Chodowiecki). Es ist wie heute: die Ärzte diskutieren am Krankenbett und die Patienten bekommen nichts mit.

Ein berühmtes chirurgisches Lehrbuch stammt von Lorenz Heister (1683 – 1758). Hier Arm – und Beinamputationen. Neben den Operationsszenen sind auch die verschiedenen Etappen des operativen Eingriffs zu sehen. Rechts sieht man den zur totalen Unterbrechung der Blutzufuhr auf den Oberschenkel aufgesetzen Tourniquet. Dies war ein grosser Fortschritt, um den Blutverlust zu vermindern.

Wir blicken jetzt in den Krankensaal in der Diakonissen-Krankenanstalt Berlin mit Diakonissen bei der Krankenpflege. In diesen Krankenzimmern wurde oft noch operiert, auf einen Operationssaal wurde bei der Vollendung 1847 verzichtet. Interessant sind die grossen Kachelöfen zur Heizung des Raumes.

Die ersten eigentlichen Operationssäle entstanden an den Universitäten. Hier sieht man das große Amphitheater der königlichen Akademie für Chirurgie in Paris. Eine Abbildung von 1780. Dieser Hörsaal, der noch heute besteht, wurde während der Revolution stark beschädigt. Die Fresken und Büsten gingen verloren, aber die Kassettendecke blieb erhalten.

Dies ist ein Blick in den Operationssaal der Berliner Charité zu dieser Zeit. Man sieht, dass die Chirurgen gleichzeitig 4 Operationen in dem Raum ausführen. Links eine Operation am Auge, dann eine Operation am Arm, eine Schädel-Trepanation und offensichtlich nochmals eine Operation am Kopf. In der Regel wurden die Operationen damals am sitzenden Patienten durchgeführt.

Ein berühmter Chirurg in dieser Zeit hieß Velpeau. Inzwischen hatte man gelernt, dass man an verschiedenen Stellen des Körpers die Schlagadern freilegen konnte. Diese konnte man dann gezielt abbinden, so dass man dann auch größere Blutungen beherrschen konnte.

Wir sind inzwischen im Biedermeier und ich möchte einige Abbildungen aus der Verbandslehre von Gerdy zeigen. Pierre Nicolas Gerdy (1797 – 1856) war ein französischer Arzt.

Inzwischen wurde die Narkose erfunden. Hier sehen wir die Darstellung der ersten öffentlichen Demonstration einer gelungenen Operation unter Narkose am 16. Oktober 1846 im Massachusetts –General-Hospital.

Erste öffentliche Narkose

Die Äther-Tropfnarkose verbreitete sich innerhalb von wenigen Jahren rund um die Welt. Die nächste wichtige Erfindung nach der Narkose war die sog. Antisepsis, d.h. man benebelte das Operationsgebiet mit einem Karbolspray, was eine desinfizierende Wirkung hatte, denn, man muss sich vorstellen, dass vorher fast jede Operation mit einer Vereiterung verheilte. Hier sehen wir eine Amputationsszene von 1877. Ein Assistenzarzt tropft Äther auf die neu eingeführte Äther-Narkosemaske, ein anderer bedient sitzend das Karbol-Sprühgerät. Der Oberstabsarzt, der sich die Uniformärmel etwa aufgekrempelt hat, hält das Amputationsmesser in den Karbolspray, um es zu desinfizieren. Ein weiterer Assistenzarzt reicht die Amputationssäge (aus dem Handbuch der Kriegschirurgischen Technik von Friedrich von Esmarch).

Der berühmte Chirurg Theodor Billroth bei einer Operation im Wiener Allgemeinen Krankenhaus im Jahre 1888 (Ölgemälde von Adalbert Franz Seligmann 1852-1945). Inzwischen wurden für die Krankenhausärzte weiße Kittel eingeführt, aber es gibt weder Operationshandschuhe noch Mund- oder Haarschutz. (Sublimatschüssel im Vordergrund, Äthertropfnarkose, Studenten).

Der Pariser Chirurg Jules Pean bei einer Operation im Jahre 1887. In der rechten Hand hält er die später nach ihm benannte Pean-Klemme. Auf dem Tisch links unten befindet sich die Sublimatschüssel zum Desinfizieren der zu dieser Zeit noch unsterilen Instrumente.

Ebenso wie die Narkose, so war auch die antiseptische Operation eine Revolution für die Chirurgie. Hier sehen wir eine Operation unter antiseptischen Kautelen mit Hilfe eines selbständigen Karbol-Sprayapparates. Auf dem Operationstisch die mit Karbolsäure gefüllte Instrumentenschale, rechts in Karbolsäure aufbewahrtes Catgutt. Der Operateur hält gerade ein Instrument in den Karbolspray.

Auch die Krankenzimmer wurden langsam moderner. Hier sehen wir die Kaiserin von Österreich bei einem Krankenbesuch im Wiener Allgemeinen Krankenhaus.

Hier ein Blick in einen Krankensaal des neu erbauten Rudolf-Virchow-Krankenhauses in Berlin. (Eröffnet 1906). Damals war es modern, viele Pavillons zu bauen, um die Infektionsrate zu vermindern.

Blick in einen Krankensaal der Männerstation des Städtischen Elisabeth-Krankenhauses in Aachen. Große Fenster an beiden Längsseiten ermöglichen eine ständige Lüftung des Saales, die damals zur Vorbeugung gegen Hospitalkeime als notwendig angesehen wurde. Zusätzlich hatte man noch eine Ventilationsanlage installiert, die frische Luft aus dem Garten in den Krankensaal holte. (Foto um 1913).

Hier sehen wir verschiedene Ansichten und Szenen aus dem neu errichteten Klinikum der Universität Halle in den Jahren von 1876 bis 1884.

Dies ist noch mal vergrößert der Operationssaal der Chirurgischen Klinik aus dem Jahre ca. 1884. Der Operationssaal ist gleichzeitig Hörsaal für die Studenten und wie alle Operationssäle dieser Zeit hat er möglichst große Fensteröffnungen, denn Operationslampen in unserem Sinne gab es ja noch nicht.

Auch kleinere Krankenhäuser richteten jetzt eigene Operationsräume ein. Dieses ist der Operationssaal in der Privatklinik Dr. Neuber in Kiel. Der Mediziner Adolf Neuber war Privatdozent für Chirurgie an der Universität Kiel und richtete als erster in seiner Privatkrankenanstalt mehrere Operationssäle nach strengen hygienischen Grundsätzen ein. Der Operationssaal ist nur sparsam mit Möbeln aus Eisen und Glas möbliert. Die einströmende Warmluft wird durch einen Feinfilter gereinigt ( Foto von 1898).

Dies ist der Operationssaal im Städtischen Krankenhaus in Nürnberg mit immer noch sehr großen Fenstern zum Lichteinlass. Um 1898. Hier sehen wir erstmals eine eigentliche Operationslampe.

Dies ist ein Operationssaal aus der Chirurgischen Universitätsklinik in Düsseldorf aus den 50er Jahren. So waren die Operationssäle in meiner medizinischen Jugendzeit eingerichtet. Oberhalb dieses Operationssaales ist eine Glaskuppel und es stehen dort Stühle für Zuschauer und Studenten.

Und dies ist jetzt ein moderner Operationssaal im Kreiskrankenhaus Grünstadt/Pfalz. Baujahr 2007.

Zum Schluss noch ein Wort: Florence Nightingale war sozusagen die Begründerin der modernen Krankenpflege in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Sie hat unter anderem und vor allem auf die Sauberkeit in den Krankenhäusern geachtet. Von ihr stammt der abschließende Satz der sehr gut zu dieser Darstellung der Chirurgie und des Krankenhauses passt:

Man sollte nie vergessen, dass der erste Punkt das Wohl des Kranken ist, nicht die Billigkeit, nicht die architektonische Schönheit“ .

von Florence Nightingale