Die Leininger Grüfte in Grünstadt

Die Leininger Grüfte in der Martinskirche zu Grünstadt.

Vortrag am 8. April 2011 in der Martinskirche zu Grünstadt.

Die Martinskirche in Grünstadt


Seit etwa 1100 n.Chr. wurde unsere Region von den Leininger Grafen beherrscht. Die erste Grablege des Leinininger Geschlechts befand sich im 1120 erbauten Kloster Höningen.

Klosterruine Höningen

Davon ist heute allerdings nichts mehr vorhanden. Der 30-jährige Krieg, der französische Reunionskrieg und schließlich der pfälzische Erbfolgekrieg von 1689 verwüsteten die gesamte Pfalz und so auch das Leininger Land. Die stolzen Burgen Alt- und Neuleiningen waren zerstört. So wurde Grünstadt im Jahre 1705 zur Residenzstadt der Grafschaft Leiningen-Westerburg erhoben. Zwei Brüder, die Grafen Christoph-Christian, Gründer der Altleininger Linie, und Georg der II., Gründer der Neuleininger Linie, traten gemeinsam das Erbe im Leiningerland an. Beinahe 100 Jahre lang residierten die beiden Grafenfamilien in zwei nacheinander erbauten Schlössern, dem „Leininger Unterhof“ und dem „Leininger Oberhof“ in Grünstadt.

Leininger Unterhof

Leininger Oberhof

Ein Wahrzeichen der Stadt Grünstadt ist die Martinskirche. Eine ältere Kirche wurde schon 1121 erwähnt. Eine gotische Kirche wurde 1494 bis 1520 errichtet, wie uns eine Bauinschrift an der Ostwand mitteilt. Diese Kirche wurde 1689 zerstört. In den Grundriss der jetzigen Martinskirche ist hier der Grundriss der Vorgängerkirche eingezeichnet.

Grundriss der alten und neuen Martinskirche

In Walter Lampert’s Büchern zur Geschichte von Grünstadt finden wir die älteste Abbildung unserer Stadt, die Zeichnung ist ein Ausschnitt aus einer von Peter Hamann vor 1689 gezeichneten Landkarte. Hier erkennen wir die Stadtmauer und die Martinskirche mit einem gotischen Turmhelm.

Gotische Martinskirche

Die jetzige äußere Form erhielt die Kirche 1727 bis 1736, unter der Regierung des Grafen Georg Hermann. Der Turm stammt bis zur Brüstung aus dem Jahre 1618. Obergeschoß und Helm wurden 1743 in der heutigen Form gestaltet. 1942 ausgebrannt wurde die Martinskirche 1951 / 52 wieder aufgebaut.

Bei Walter Lampert finden wir auch eine alte Innenansicht der Martinskirche, auf der die beiden „Grafenstühle“ noch zu erkennen sind.

Die Grafenstühle in der Martinskirche

Unter der Evangelischen Martinskirche befinden sich die zwei Grüfte des Grafenhauses Leiningen, wie man auf dieser Schnittzeichnung gut erkennen kann.

Querschnitt Martinskirche

Die nördliche Gruft ist die Grablege der Neuleininger Linie, die südliche Gruft die der Altleininger Linie. Wie kam es nun dazu, dass die Leininger Grüfte erneut geöffnet wurden? Die letzte Beisetzung fand im Jahre 1792 statt. In den Jahren 1838, 1854 und 1899 wurden die Grüfte jeweils geöffnet und visitiert. Anlässlich der Öffnung im Jahre 1908 fand man die Grüfte in einem sehr schlechten Zustand. Schutt hatte sich angesammelt und die Särge waren verrottet. Die Grüfte wurden deshalb geräumt und die Gebeine in neu angefertigte Särge umgebettet. Dies fand 1908 statt.

Im Juni 1979 und im September 1986 fanden erneut Visitationen der Grüfte statt. Die aufgefundenen Grabschilde wurden von Horst Wilhelm restauriert und an den Zugängen der ehemaligen Grafenstühle angebracht.

Sargschilde

Damals stellte man fest, dass die Gebeine der Verstorbenen unordentlich und mit Beschlägen, Metallornamenten und zum Teil mit Tierknochen zusammen in den Särgen lagen.

Im Sommer 1998 besuchte das Ehepaar Holck aus Norwegen (Per Holck ist mit einer Grünstädterin verheiratet) und das mit ihnen befreundete Ehepaar Alfred Zaun die Martinskirche. Pfarrer Funcke, der die Gäste führte, berichtete auch über diese Zustände in den Grüften. Dr. Per Holck, Professor für Antropologie am anatomischen Institut der Universität in Oslo, erklärte sich gerne bereit, während seines Urlaubs in Grünstadt, für eine würdige Umbettung der Gebeine Sorge zu tragen. So wurden mit Zustimmung des protestantischen Pfarreramtes die Grablegen der Leininger Grafen in der Martinskirche zu Grünstadt am 27. Juli 1999 für die Umbettung und für eine wissenschaftliche Untersuchung geöffnet.

Prof. Per Holck

Vornehmliche Aufgabe war es, die Gebeine der Verstorbenen richtig zuzuordnen und in den Särgen nieder zu legen. Außerdem sollte auch die genealogische Zuordnung, welche bis jetzt nur anhand der Kirchenbücher und der Grabschilde dokumentiert war, überprüft werden. Zu diesem Zweck wurde der Verstorbene Grünstädter Heimatforscher Horst Wilhelm hinzugezogen. Während der wissenschaftlichen Untersuchung im Sommer 1999 stellte Prof. Holck anhand der Knochenfunde Krankheitsbilder fest, die sich zum Teil über mehrere Generationen vererbt hatten. Jetzt kam ich ins Spiel, denn ich erhielt sozusagen im Operationssaal stehend, einen Anruf aus den Leininger Grüften. Im Kreiskrankenhaus Grünstadt ließ ich entsprechende Rö. Bilder anfertigen, welche durch meine Frau, die Röntgenärztin ist, befundet wurden.

Abgang zur Nordgruft

Lassen Sie uns jetzt gemeinsam zu den Grüften hinabsteigen. Links und rechts vor dem Altarraum führen jeweils 14 Stufen zu den Grüften hinab. Wir gehen zunächst nach links in die nördliche Gruft. Dort stehen 3 Särge, die jeweils mit einem schwarzen Tuch abgedeckt sind.

Die nördliche Gruft

Wahrscheinlich wurden alle Särge im Jahr 1908 neu angefertigt. Damals hatte man offenbar die alten Särge ausgeräumt und den Inhalt in die neuen übertragen. Wie sich bei der Untersuchung herausstellte, ist es dabei leider häufig passiert, dass einige Knochen falsch verteilt wurden. Dies wurde jetzt korrigiert und gleichzeitig dafür gesorgt, dass jedes Skelett nach der Untersuchung anatomisch korrekt – soweit dies möglich war – in den entsprechenden Sarg wieder niedergelegt wurde. Die Särge wurden in Uhrzeigerrichtung mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet. Außerdem steht links neben der Treppe die Urne von Alexander, Graf zu Leiningen- Westerburg Neuleiningen von Madroux, welcher als letzter Nachfahre der Leininger Grafen 1996 hier bestattet wurde.

Grundriss Nördliche Gruft

Für den heutigen Vortrag beschränke ich mich auf die Särge A, B und G, weil diese 3 Personen medizinische Besonderheiten zeigten.

Sarg A

Der Sarg A steht auf 3 Ständern aus rotem Sandstein mit Ornamenten. Der Ständer am Fußende hat die Jahreszahl 1712 und die Buchstaben PS eingehauen.

Ofenstein als Sargständer

Man kann diesen Stein mit keinem von den in der nördlichen Gruft begrabenen Personen in Verbindung setzen. Es handelt es sich hierbei um sogenannte Ofensteine, wie sie im 17., 18.und noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Gebrauch waren. Auf diesen Steinen ruhte die in die Zimmerwand eingelassene Grundplatte eines gußeisernen oder keramischen Ofens, welcher von einem Nebenzimmer oder Hausflur aus beheizt wurde. Bei der Gruftrevision im Jahre 1908 wurde nicht erkannt, dass es sich bei diesen Sargständern um zweckentfremdete Ofensteine handelt, deshalb ist auch die Jahreszahl 1712 keinem Datum der hier Bestatteten zuzuordnen. Erst Host Wilhelm hat diese Sargständer als Ofensteine richtig gedeutet. Der Sarginhalt selbst war ziemlich unordentlich und lieblos im Sarg verteilt mit Knochenteilen, Leichenhemd, Beschlägen, Metallornamenten und Holzspänen vermischt.

Sarg A

Die Späne schienen vom gleichen Alter wie die Särge zu sein und wurden offenbar bei den Restaurierungsarbeiten 1908 zugegeben. Übrigens waren Holzspäne früher eine übliche Unterlage in den Särgen. Oft wurden sie mit Hopfen gemischt teils, um den „ewigen Schlaf zu fördern“, teils um Spukerei zu verhindern. Auch glaubte man, dass der Tote erst den Hopfen zählen mußte, bevor er zum Spuken den Sarg verlassen konnte. In diesem Sarg A liegt ein unvollständiges Skelett, überwiegend sind Knochen eines erwachsenen Mannes vorhanden. Aber es finden sich auch Knochenteile die, wie sich später zeigte, zum Sarg C gehören. Prof. Holck hat dann die vorhandenen und zu diesem Skelett gehörenden Röhrenknochen vermessen. Aus diesen Werten wurde die individuelle Körpergröße auf etwa 172 cm berechnet. An verschiedenen Knochen fanden sich Auffälligkeiten. So sind zum Beispiel beide Ober-schenkelknochen kräftig entwickelt mit außergewöhnlich stark markierten Muskelansätzen auf der Rückseite. Hier sind auch Spuren von Knochenhautentzündung zu sehen, wohl als Zeichen dafür, dass diese Muskulatur sehr stark beansprucht worden war. Man sieht das bei dieser Person besonders deutlich an den Ansatzstellen für Muskulatur, die die Beine nach innen ziehen – vielleicht durch häufiges Reiten . Wahrscheinlich hat die Person auch einen frühen Schaden im re. Kniegelenk gehabt, wobei das hintere Kreuzband gerissen und sekundär verkalkt ist.

Schienbeinkopf Sarg A

Am Becken ist das re. Hüftbein mit dem Kreuzbein knöchern verwachsen. Auch die – noch offene – li. Gelenkfläche, zeigt deutliche Spuren einer Entzündung.

Beckenknochen Sarg A

Mehrere Brustwirbel sind miteinander auf der re. Seite und zum Teil mit den Rippen zusammengewachsen. Auch finden sich zahlreiche Verkalkungen an der re. Seite der Wirbelsäule. Man sieht hier deutliche Abdrücke der Rippen, was daraufhin deutet, dass es sich um entzündliche Prozesse an den Rippengelenken handelte.

Brustwirbel Sarg A

Beide Schulterblätter sind bewahrt und zeigen ebenfalls in den beiden Gelenken zu den Schlüsselbeinen hin entzünd-liche Veränderungen. Der Schädel hat ein verhältnismäßig kleines Gesicht im Vergleich zu dem großen Gehirnteil. Es sind Reste von gelbbraunem Haar vorhanden, wobei sich die Haarfarbe allerdings nach dem Tode mit der Zeit verändert haben kann.

Schädel Sarg A

Der Unterkiefer ist breiter als der Oberkiefer und bildet deshalb einen markanten Unterbiß. Fast sämtliche Zähne sind vorhanden, ein paar allerdings mit Karies. Die Zähne insgesamt sind nur wenig abgeschliffen. Das spricht für eine gute Ernährung in der damaligen Zeit. Prof. Holck hat die Schädel genau vermessen, so dass sich dadurch die Form der einzelnen Schädel vergleichen läßt, unabhängig von ihrer individuellen Größe. Wegen der pathologischen Besonderheiten an der Wirbelsäule und am Becken wurden Rö. Aufnahmen angefertigt, die ich Ihnen jetzt kurz zeigen will.

Röntgen WS Sarg A

Man sieht auf diesen Aufnahmen eine Verbiegung der Wirbelsäule und man sieht knöcherne Anbauten, so dass die einzelnen Wirbelkörper knöchern miteinander verwachsen sind. Die anhängenden Rippen sind ebenfalls knöchern mit der Wirbelsäule verwachsen.

Röntgen Becken Sarg A

Wenn wir uns die Rö. Aufnahmen des Beckens ansehen, so sehen wir die Knochenstruktur teils strähnig verdichtet, teils wabig aufgelockert. Das rechtsseitige, erhaltene Ileosakralgelenk – das ist das Gelenk zwischen dem Kreuzbein und der Darmbeinschaufel – ist völlig verödet, dass heißt, das Gelenk ist knöchern verwachsen. Dieser Befund spricht für eine stattgehabte Gelenkentzündung.

Die gefundenen pathologisch-anatomischen Besonderheiten und die pathologischen Rö. Befunde an der Wirbelsäule und am Becken lassen uns vermuten, dass diese Person eine Systemerkrankung rheumatischer Ursache hatte – wahrscheinlich eine sogenannte Bechterew’sche Krankheit (Spondylitis ankylopoetica) Hierbei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung bisher unbekannter Ursache, die an den kleinen Wirbelgelenken, an den Kreuzbeingelenken und an dem Bandapparat der Wirbelsäule beginnt und überwiegend Männer vor dem 40. Lebensjahr befällt.

Diese Patienten leiden typischerweise unter uncharakteristischen, tiefsitzenden, entzündlichen Rückenschmerzen, die vorwiegend in Ruhe auftreten und sich bei Bewegung bessern. Die Schmerzen sind intermittierend mit typischer, nächtlicher Verschlimmerung, besonders in der 2. Nachthälfte. In 30 bis 50 % der Fälle sind auch andere Gelenke beteiligt, am häufigsten Hüft-, Knie- und Schultergelenke. Typisch ist ein schubweiser Verlauf mit zunehmender Versteifung der Wirbelsäule und der Ileosakralgelenke. Für die Diagnosestellung einer Beckterew’schen Erkrankung gilt, dass das entscheidende Kriterium der röntgenologische Nachweis von knöchernen Veränderungen in den Ileosakralgelenken ist. Bei bis zu 1/5 aller Fälle kommt es ohne Behandlung zu einer hochgradigen Fehlhaltung der Wirbelsäule und weitgehender Versteifung der Hüftgelenke. Soweit ist es bei unserer Person allerdings nicht gekommen, denn die röntgenologischen Spätzeichen an der Wirbelsäule, der sogenannte Bambusstab sind – noch – nicht vorhanden.

Auf Grund der anthropologischen und röntgenologischen Untersuchungen handelt es sich bei der Person in Sarg A um den Leininger Grafen Georg Carl 1. Ludwig (1717-1787)

Graf Georg Carl

Graf Georg Carl 1. Ludwig studierte in Gießen und lebte danach einige Zeit am Hof zu Hessen / Darmstadt. Er diente als Oberstleutnant beim preußischen Regiment Dossow. Danach war er in holländischen Diensten, zuletzt Generalleutnant des 1. Bataillons Oranien / Nassau. Das Porträt zeigt ihn als Offizier dieses Bataillons. 1740 übernahm er die Regierung aus der Hand seiner Mutter. Er hatte einen sehr leichtsinnig veranlagten Bruder Ernst, der manches Erbstück zur Deckung seiner ständigen Schulden veräußerte. Mit diesem hatte er viel Streit. Selbst Georg Hermann von der Altleininger-Linie protestierte gegen das Verschleudern von Familienbesitz. Graf Carl, der sehr auf Ordnung innerhalb des kirchlichen und weltlichen Alltages hielt, führte im Oktober 1762 unter Strafandrohung die allgemeine Schulpflicht im Leininger Land ein. Graf Carl gründete ein westlich von Altleiningen auf einem Berg liegendes Dorf, dem er seinen Namen gab – Carlsberg. Er bemühte sich um Ansiedler, die in der Eisenschmelze und als Harzbrenner arbeiteten, sowie als Hausierer handelten. Diese Tradition wurde bis zur Mitte unseres Jahrhunderts aufrecht erhalten. Der Graf residierte überwiegend in Grünstadt, wo er auch am 19. März 1787 verstarb. 70 Jahre alt geworden, wurde sein Leichnam in der Gruft der Martinskirche beigesetzt.

Grundriss Nördliche Gruft

Sarg B

Auch in diesem Sarg war der Inhalt ziemlich durcheinander. Das Skelett ist typisch weiblich und besteht aus Schädel mit Unterkiefer, beiden Schulterblättern (wovon das eine in Sarg A gefunden wurde), beiden Oberarmknochen (der re. Oberarmknochen wurde in Sarg C gefunden), dem li. Schlüsselbein, Brustbein, re. Elle, sämtliche Beinknochen, re. Kniescheibe, die meisten Wirbel, das Becken und einige Fuß- und Fingerknochen. Prof.Holck hat aus den Maßen der Röhrenknochen eine Körpergröße von etwa 151cm berechnet, was ganz normal war für Frauen im 18. Jahrhundert.

Das Skelett zeigt verschiedene, pathologische Besonderheiten. Die Wirbelsäule ist in einer nach re. geneigten Wirbelsäulenverbiegung stark gekrümmt, so hochgradig, dass diese Person gewiß einen starken „Buckel“ gehabt haben muß.

Wirbelsäule Sarg B

Wir haben Rö. Aufnahmen dieses Wirbelsäulenabschnittes durchgeführt, dabei zeigte sich eine hochgradige, rechts konvexe Drehskoliose der unteren Brustwirbelsäule und der oberen Lendenwirbelsäule mit einem Wirbelsäulenwinkel des Brustlendenüberganges von 130°.

Röntgen Wirbelsäule Sarg B

Die Wirbelkörper sind außerdem stark nach rechts verdreht. Differentialdiagnostisch kommen bei der Verknöcherung der kleinen Wirbelgelenke und der Wirbelsäulenrippengelenke neben Verschleißerscheinungen auch entzündliche Prozesse, wie zum Beispiel wieder eine Bechterew’sche Erkrankung in Betracht. Derartige Wirbelsäulenverbiegungen betreffen Frauen wesentlich häufiger als Männer. Sie entstehen häufig im Kindes- und Wachstumsalter. Die Krümmung in der Wirbelsäule ist meist rechts konvex, wie auch in unserem Fall. Je jünger die Patienten bei Krankheitsbeginn und je höher die Wirbelsäulenkrümmung ist, desto stärker wird sich die Krankheit entwickeln. Gefürchtete Folgen einer Skoliose sind Rückenschmerzen durch Rückenmuskelschwäche, durch Veränderungen der Wirbelgelenke und schmerzhafte Bandscheibensymptomatik. Mit zunehmender Ausbildung des Buckels kommt es zu einer Einschränkung der Lungenfunktion mit starker Atemschwäche. Um diese Folgen zu vermeiden, werden heute Skoliose-Patienten mit einem Wirbelsäulenwinkel von über 50° (bei unserer Person betrug dieser Winkel 130°) operativ behandelt.

Am Becken ist die Knochensubstanz um die Schambeinfuge an den beiden hinteren Rändern stark vergrößert und verdickt, was auf mehrere, zum Teil harte Geburten hindeuten könnte (wenn unsere Identifikation richtig ist, gebahr diese Frau 9 Kinder).

Schädel Sarg B

Der Schädel hatte eine rundliche, typisch weibliche Form. Wie Sie wissen, besteht der Schädel aus mehreren, zusammengewachsenen Knochen. Aus dem Verschluß dieser sogenannten Schädelnähte wurde das Alter auf 70 Jahre geschätzt. Es sind keine Zähne im Oberkiefer vorhanden, sie sind bereits zu Lebzeiten ausgefallen und haben einen hochgradigen Knochenschwund am Oberkiefer verursacht. Im Unterkiefer sind noch 7 Zähne vorhanden, zum Teil durch Karies verfärbt. Über dem Becken wurden einige Fingerknochen gefunden. Hier fand man auch einen durchtrennten, goldenen Fingerring. Möglicherweise wurde er wegen geschwollener Fingergelenke der Besitzerin zerschnitten.

Fingerring aus Sarg B

Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dieser Frau um: Margarete Christiane Auguste, Gräfin zu Leiningen-Westerburg-Neuleiningen, geborene Gräfin von Gyldenlöve Danneskiold-Laurwig (1694-1761).

Gräfin Margarete Christiane Auguste

Sie war die Mutter von Georg Carl 1. Ludwig in Sarg A. Möglicherweise hat dieser seine rheumatische Erkrankung von ihr geerbt. Margarete Christiane Auguste war die Tochter von Ulrich Friedrich Graf von Gyldenlöve-Danneskiold, Herr der Grafschaft Laurwig und zu Herrshorn. Er war dänischer Statthalter in Norwegen. Die Gräfin wurde am 18. Juli 1694 in Laurwig in Südnorwegen geboren und heiratete 1711 Graf Georg 2. Carl Ludwig von Leiningen-Westerburg-Neuleiningen, als dessen 3. Gemahlin. Aus dieser Ehe gingen 9 Kinder hervor. Durch ihre Heirat kam ein beträchtliches Vermögen an das Haus Leiningen-Westerburg-Neuleiningen. Sie überlebte ihren Gatten 35 Jahre und regierte in dieser Zeit als umsichtige und allseits beliebte Landesherrin. Sie war Vormund ihrer unmündigen Kinder und Mitregentin von Georg Hermann von der Linie Leiningen-Westerburg-Altleiningen, welcher im Sarg G bestattet ist, zudem wir später noch kommen. Sie war Miterbauerin der barocken Martinskirche. 1731 stiftete sie einen Abendmahlsteller mit graviertem Ehewappen Leiningen-Gyldenlöve-Laurwig.

Abendmahlsteller

Gräfin Margarete starb am 8. Juli 1761 und wurde am 10. Juli früh um 3.oo Uhr in der Neuleininger Gruft der Martinskirche zu Grünstadt unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt. - Hier sehen wir den Sargschild der Gräfin Margarete.

Sargschild der Gräfin Margarete

Im Sarg C fanden sich sowohl ein weibliches als auch ein männliches Skelett, auf das ich jetzt nicht weiter eingehen möchte, sondern wir gehen wieder zurück in das Kirchenschiff auf die andere Seite und begeben uns in die südliche Gruft.

Lassen Sie uns jetzt gemeinsam in die südliche Gruft hinabsteigen.


Die südliche Gruft

Die südliche Gruft

Dieser Raum hat ungefähr die selbe Länge und Breite wie die nördliche Gruft. In der nordwestlichen Ecke zwischen Längswand und Querwand sieht man einen ziemlich breiten Vertikalspalt im Mauerwerk. Da diese beiden Wände ohne Verbund aufgemauert wurden, ist zu vermuten, dass die Westwand beim Bauen der Gruft während des Neubaus der Martinskirche 1727 an die ursprüngliche alte Mauer angelehnt wurde. In der südlichen Gruft befinden sich insgesamt 6 Särge, alle ohne Tuchbedeckung, die uhrzeigerweise von uns D, E, F, G, H, I bezeichnet wurden.

Grundriss der südlichen Gruft

Auf dem Boden lagen mehrere Knochen zerstreut, sowohl Tier- als auch Menschenknochen. Knochen von Katze, Vogel und Schwein waren auch in den Särgen vorhanden. Offenbar waren kleinere Tiere durch die glaslosen Fensteröffnungen in die Grüfte hineingekommen und haben den Ausgang nicht mehr gefunden. Die Schweineknochen wurden wahrscheinlich mit der Zeit von Menschen aus Unfug durch die glaslose Fensteröffnung in die Gruft hinein geworfen. Der Fußboden bestand hier nur aus Lehm und Sand.

Für diesen Vortrag möchte ich mich jetzt nur auf den Sarg G konzentrieren. Auch hier war der Sarginhalt durcheinander. Darunter fand man auch Beschläge und gedrechselte Sargständer aus Holz. Das Skelett ist in einem verhältnismäßig schlechten Zustand, zum Teil verschimmelt. Es scheint männlich zu sein.

Schädel Sarg G

Der Unterkiefer ist kräftig, mit ausstehenden Kieferwinkeln. Die Knochen machen insgesamt einen leichten osteoporotischen (entkalkten) Eindruck. Es sind keine Zähne mehr vorhanden, alle waren zu Lebzeiten ausgefallen. Das Lebensalter wurde auf etwa 60 bis 70 Jahre geschätzt. An den einzelnen Knochen fielen einige Besonderheiten auf. Beide Schlüsselbeine sind auf der inneren Gelenkfläche verkalkt und die 1., linke Rippe ist mit dem Brustbein verwachsen.

Rippen Sarg G

Drei Rippen auf der linken Seite zeigten Spuren von geheilten Rippenbrüchen. Beide Schultergelenke haben erheblich Verkalkungen, insbesondere auf der linken Seite, was möglicherweise durch langdauernde Überbelastung entstanden sein könnte.

Knöchel Sarg G

Auffallend bei dem Skelett sind die großen Veränderungen am li. Knöchel. Dieser ist stark deformiert durch einen älteren Defekt, offensichtlich nach einem Unfall. Es handelt sich hier um einen in Fehlstellung ausgeheilten Knochenbruch.

Röntgen ap Sprunggelenk Sarg G

Um diesen Befund weiter abzuklären, haben wir Röntgenaufnahmen der linke Unterschenkelknochen in zwei Richtungen angefertigt. Hierbei zeigte sich ein Zustand nach einem schweren Unterschenkelbruch im Bereich des linken Sprunggelenkes.

Röntgen Sprunggelenk seitlich. Sarg G

Dieser ist knöchern fest verheilt, allerdings in einer starken Fehlstellung und mit einer Verkürzung des linken Unterschenkels um 6,5cm. Diese schwere Verletzung führte zu einer unfallbedingten Verwachsung des Schienbeines im oberen Sprunggelenk mit dem Wadenbein und dem Sprungbein.

Das linke Sprunggelenk ist nach der unförmigen knöchernen Ausheilung mit Sicherheit steif gewesen und der Fuß selbst wurde wegen der Verwachsungen vielleicht auch etwas nach innen gedreht gehalten.

Verkürztes Schienbein

Diese Person war wegen dieser Beinverkürzung links von zirka 6,5cm und der Einsteifung im linken Sprunggelenk erheblich bewegungseingeschränkt. Ein stark hinkender Gang war die Folge. Wahrscheinlich handelte es sich um einen schweren, evtl. sogar offenen Trümmerbruch am linken Unterschenkel im Bereich des Sprunggelenkes, welcher aber letztendlich unter Versteifung und Verkürzung sowie Verdickung der linken Knöchelregion und Fußwurzel ausheilte. Unter Berücksichtigung der damaligen hygienischen und medizinischen Versorgung können wir sicher von einer Ausheilungszeit in der Größenordnung von mindestens 2 Jahren ausgehen. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Verkalkungen in den Schultergelenken durch langdauernde Anwendung von Stöcken oder Krücken entstanden waren. Auf der rechten, gesunden Seite, die bestimmt entsprechend überbelastet war, sieht man das Schienbein dementsprechend auffallend stark entwickelt mit vorstehendem Ansatz für die Oberschenkelmuskulatur und wesentlich länger als auf der linken Seite. Aus der Ausmessung der Röhrenknochen hat Herr Prof. Holck die Körpergröße auf etwa 170cm berechnet.

Graf Georg Hermann

Auf Grund der oben beschriebenen Funde und des Skelettalters handelt es sich hierbei mit großer Wahrscheinlichkeit um den Leininger Grafen Georg Hermann (1679-1751) Er war mit Charlotte Wilhelmine von Pappenheim verheiratet, welche in Sarg F bestattet ist. Er war auch Vater von Christian Ludwig Hermann in Sarg D.

Johann Ludwig Knoch, Titel

Im Jahre 1762 schrieb der gemeinschaftliche Archivrat, Johann Ludwig Knoch (also ein Zeitgenosse des Grafen Georg Hermann) einen handschriftlichen Entwurf zu einer verbesserten Genealogie und Historie des Hauses Westerburg, jetzt Leiningen-Westerburg.

Johann Ludwig Knoch, Seite 178

Hier lesen wir auf Seite 178 folgendes über den Grafen Georg Hermann:

Unser nicht gering zu preisender Herr Graf Georg Hermann mußte bei allen diesen weltlichen und frommen Absichten und christlichem Ertragen in seinen alten Tagen ein schweres Unglück erleben, dass ihm bei dem Schlosse durch Ausglitschung der Füße ein schwerer geladener Wagen über beide Unterschenkel fuhr und zerquetschte, wodurch er bis an sein Ende große Schmerzen und Ungemach auszustehen hatte, jedoch ziemlichermaßen wiederum restituiert worden.

Nach dieser Darstellung eines „Zeitzeugen“ besteht also kein Zweifel mehr, dass es sich bei dem Skelett in Sarg G um den Grafen Georg Hermann aus der Linie Altleiningen handelt. Graf Georg Hermann war wohl der bedeutendste Graf der Linie Altleiningen im 18. Jahrhundert. Geboren am 21. März 1679 diente er in seinen jungen Jahren in der holländischen und in der französischen Armee. 1721 übernahm er von seinem Vater Christoph Christian die Regierung über die Grafschaft. Graf Georg Hermann brachte die Grafschaft, die durch den vorangegangenen Erbfolgekrieg schwer gelitten hatte, wieder in einen blühenden Zustand. Am 24. Dezember 1724 heiratete Graf Georg Hermann in 2.Ehe Charlotte Wilhelmine, Gräfin und Erbmaschallin zu Pappenheim. Am 1. April 1727 legte er den Grundstein zum Neubau der Martinskirche in Grünstadt, die im Orlean‘ schen Krieg schwer beschädigt war. Für die Altleininger und die Neuleininger Grafenfamilien wurden jetzt 2 sich gegenüberliegende Erbgrüfte angelegt, welche anläßlich unserer wissenschaftlichen Untersuchung geöffnet werden konnten. Es war ein großer Verdient des Grafen Georg Hermann, dass er die seit 1630 geschlossene Lateinschule in Höningen im Jahre 1729 nun in seiner Residenz Grünstadt wieder neu begündete. Auf dem prachtvollen Portrait des Rokokofürsten ist, wohl in Erinnerung an diese Tat, im Hintergrund die Höninger Klosterschulruine festgehalten worden. 1750 wurde auf Anregung seiner 2. Gemahlin das Grünstädter Waisenhaus erbaut, heute Rathaus der Stadt Grünstadt. Der allseits beliebte Landesherr starb im Jahre 1751 und wurde als 1. regierender Graf in der Altleininger Gruft der damals neu erbauten Martinskirche zu Grünstadt beigesetzt.

Auf die Einzelheiten der übrigen Särge will ich heute Abend gar nicht weiter eingehen, sondern Ihnen gleich eine Zusammenfassung dessen geben, was wir letztendlich festgestellt haben. Zwischen den jetzigen, anthropologischen Untersuchungen der Leininger Grüfte und den bisherigen literarischen Quellen bestehen einige Diskrepanzen.

Die nördliche Gruft

Im Bauantrag zum Neubau der Martinskirche nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1952 fanden wir die letzte bekannte schriftliche Zuordnung der Särge. In der nördlichen Gruft haben wir die Gebeine der bereits bekannten, hier bestattenen gräflichen Personen vorgefunden. Allerdings wurden Sargpositionen vertauscht, wahrscheinlich bei der Umbettung 1908. Im Sarg A ruhen die Überreste von Graf Georg Carl 1. Ludwig (1717-1787), diesen habe ich Ihnen als ersten ausführlich vorgestellt. Sarg B enthält das Skelett von Margarete Christiane Auguste, Gräfin von Gyldenlöve-Danneskiold –Laurwig (1694-1761). Das war die Gräfin mit der ausgeprägten Wirbelsäulenverkrümmung.

Sarg C

In Sarg C wurden zwei Personen bestattet und zwar zum einen Philippine Auguste, Rheingräfin zu Grumbach (1737-1792). Zusätzlich finden sich in diesem Sarg die Gebeine von Graf Ferdinand Polexius Heinrich (1720-1789). In dieser Gruft waren also bei der letzten Untersuchung im Jahre 1908 zwei Zuordnungen nicht korrekt, allerdings wurden die Skelette damals auch nicht anthropologisch untersucht.

Das im Sarg C gefundene zusätzliche männliche Skelett stammt am ehesten von Graf Ferdinand Polexius Heinrich. Seine Beisetzung in der Gruft ist durch den Eintrag im Grünstädter Kirchenbuch belegt. Seit 1996 steht neben der Treppe die Urne von Alexander, Graf zu Leiningen-Westerburg-Neuleiningen von Madroux.

Südliche Gruft, Bauantrag von 1952

Betrachten wir nun die südliche Gruft . Keinen Zweifel gibt es an der Zuordnung von Graf Georg Hermann. Seine Gebeine liegen auch in der richtigen Sargposition. Das war der Graf mit dem Knöchelbruch. „G“ Auch das Skelett von Friedrich Carl Wilhelm ist zweifelsfrei zuzuordnen und liegt an der angegebenen Stelle. „H“.

Charlotte Wilhelmine von Pappenheim

Charlotte Wilhelmine, geborene Gräfin von Pappenheim, ist einem weiblichen Skelett eindeutig zuzuordnen. Die Skelettreste liegen allerdings nicht mehr an der bisher bekannten Position, sondern der Sarg wurde offenbar in früheren Zeiten um 1 Sargbreite nach Norden verschoben (Sarg F). Ebenfalls zuzuordnen sind die Überreste von Graf Simon Christof. Allerdings wurde auch hier die Sargposition früher einmal geändert. Diese Skeletteile liegen in dem Sarg der Position E. Es ist bekannt, dass Graf Christian Johann (geboren 31. August 1730, gestorben am 18.Februar 1770) in der gräflichen Gruft der Martinskirche am 20. Februar 1770 beigesetzt wurde. Deshalb erscheint sein Name auch bei den Bestatteten der südlichen Gruft. Seine Überreste waren allerdings bei den jetzigen Untersuchungen nicht mehr eindeutig nachweisbar. Stattdessen finden sich Skelettanteile eines jungen Mannes von etwa 25 bis 30 Lebensjahren.

Hierbei handelt es sich höchstwahrscheinlich um Graf Christian Ludwig Hermann, einen Bruder von Christian Johann, von dem wir ebenfalls wissen, dass er in der Gruft bestattet wurde. Seine Überreste liegen in Position D. Nach den bisherigen Angaben in der Literatur sollte auf Position I der Rheingraf Albrecht von Grumbach bestattet liegen. Johann Albrecht Ludwig, Rheingraf von Grumbach (1746-1778) lebte hier in Grünstadt, weil seine beiden Schwestern jeweils mit einem Leininger Grafen verheiratet waren. Er sollte nach den bisherigen Kenntnissen in der südwestlichen Position (Sarg I) in der Altleininger Gruft bestattet sein. In diesem Sarg wurden jetzt aber zweifelsfrei Schädel und Skelettanteile einer 60 bis 70 Jahre alt gewordenen Frau gefunden. In den vergangenen Jahrhunderten sind zahlreiche Knochen aus der Gruft abhandengekommen. Dies wundert uns nicht, denn Frau Roth schrieb 1908, dass die Menschen bei den früheren Gruftöffnungen räuberisch gehaust haben müssen. Die Gruft war außerdem zeitweise so überbelegt, dass Kinderbestattungen der Altleininger Linie in der Neuleininger Gruft vorgenommen wurden. Vielleicht wurden auch Knochen bei der letzten Umbettung im Jahre 1908 absichtlich oder unabsichtlich entfernt. Auch bei unserer Untersuchung wurden ja überzählige Knochen in den Grüften – hauptsächlich auf dem Fußboden - gefunden. Dass also heute nicht mehr alle einst in dieser Gruft bestatteten Personen mit ihren Skelettresten nachweisbar sind, ist nachvollziehbar. Wer aber war die Frau in Sarg I?

In der Literatur und in den Kirchenbüchern ist keine weitere Bestattung einer weiblichen Person in dieser Gruft bekannt. Von der Genealogie her in Frage käme zum Beispiel Christiane Johanna Sophia, geboren 19.6.1681 in Westerburg, gestorben am 5.2.1762 in Grünstadt. Sie war eine Enkelin des Leininger Grafen Georg Wilhelm (1619-1695). Ihre Mutter, Angelika Katharina war verheiratet mit Gustav Adolf, Graf zu Waserburg. Dieser war ein Enkel des Königs Gustav Adolf von Schweden. Christiane Johanna Sophia, Komtess von Waserburg, lebte zuletzt in Grünstadt. In dem Kirchenbuch der Martinskirche Grünstadt ist unter dem Datum vom 5.Februar 1792 eindeutig eingetragen, dass sie auf dem Kirchhof und nicht in der Gruft begraben wurde. Sie scheidet also bei unserer Suche aus. In Frage käme auch Christiane Franziska Eleonore, geboren am 10. August 1735 und gestorben am 29. November 1809 zu Berleburg. Sie war die Ehefrau von Graf Christian Johann (1730-1770) und die Schwester des Rheingrafen zu Grumbach (1746-1778). Von beiden Männern wissen wir, dass sie in der Altleininger Gruft bestattet wurden. Allerdings ließen sich bei der jetzigen Untersuchung ihre Reste nicht mehr nachweisen. Christiane Franziska Eleonore überlebte ihren Mann um 39 Jahre und starb 1809 in Berleburg bei Arnsberg. Zu diesem Zeitpunkt fanden in Grünstadt keine Bestattungen mehr in den Grüften statt. Der Reichsgraf Albrecht von Grumbach, dessen Reste wir eigentlich in Sarg I erwarteten, starb nach Angaben von Frau Roth nicht in Grünstadt, denn die Kirchenbücher enthalten über ihn keinen Sterbeakt. Die Bestattung geschah in einem doppelwandigen Holzsarg. Solche Särge wurden für Leichentransporte benutzt. Deshalb ist anzunehmen, dass der Leichnam im Sarg nach Grünstadt gebracht wurde, um in der Gruft der Martinskirche beigesetzt zu werden. Es wäre also auch denkbar, dass sich in diesem Sarg nie ein männlicher Leichnam befunden hat.

Dann allerdings bliebe die Identität der jetzt aufgefundenen eindeutig weiblichen Skelettanteile ein großes Geheimnis. Nach der Genealogischen Übersicht kann es sich bei dem in Sarg I bestatteten weiblichen Skelett nur um Charlotte, geborene Gräfin zu Nassau –Saarbrücken handeln. Sie wurde am 1. Februar 1616 geboren und verstarb am 13. November 1687. Von ihr wissen wir, dass sie in der Gruft der alten Martinskirche beigesetzt wurde. Wahrscheinlich hat man beim Neubau der Martinskirche die Gebeine der in der alten, jetzt nicht mehr vorhandenen Gruft bestatteten Gräfin Charlotte in die neu erbaute, südliche Gruft umgebettet. Bei dem Kirchenumbau 1908 wurden unter dem Fußboden des Kirchenschiffes zahlreiche Bestattungen freigelegt. Die alte Gruft mit den Gebeinen der Gräfin Charlotte fand sich jedoch nicht. Dies spricht auch für eine Umbettung anlässlich des Kirchenneubaus. Sie ist jedenfalls die einzige Leininger Gräfin, die dem in Sarg I gefundenen Skelett eine Identität geben kann. Da diese unsere Zuordnung aber nur auf Indizien beruht, verbleibt letztendlich eine kleine Unsicherheit und ein Geheimnis um die Frage: Wer war die 60 bis 70-jährige Frau, die in der nordwestlichen Ecke der Altleininger Gruft in der Martinskirche zu Grünstadt bestattet wurde?

Südliche Gruft, Belegung